Meine ganz persönliche Geschichte mit emotionalen Essen, habe ich mit nur ganz wenigen Menschen geteilt.
Als Kind bin ich in den sehr rauen Energien Nordenglands in den 60er Jahren groß geworden. Da war es als normal angesehen, Kinder zu missbrauchen, nicht zu achten und wenig Aufmerksamkeit zu geben. Ein Kind hatte zu gehorchen. Für viele eine harte Zeit, jedoch für mich vielleicht schlimmer, da ich hochsensibel war, dünnhäutig, und introvertiert.
Ich hatte sehr früh drei Kompensationsstrategien entwickelt, um durch meine Kindheit zu kommen.
- wegbeamen/Tagträumen- ich habe alles rechts und links ausgeschaltet und mich in einem Bubble platziert. Ich habe viel geschlafen und Ich habe Bücher geschlungen. Jeden Freitag lief ich 5 Kilometer nach der Schule in die Bibliothek und habe mehrere Bücher ausgeliehen: am Montag dann alle wieder zurückgebracht. Und das jede Woche, über mehrere Jahren
- Schönheit: wenn ich schön bin und eine tolle Figur habe, wenn Männer mich lieben, dann wird die Welt besser. So kann ich alles besser aushalten, so kann ich alles um mich herum besser kontrollieren
- Und so habe Ich meine erste Diät mit 11 angefangen, so fing mein Weg in das Emotionales Essen und hörte über 40 Jahre wieder auf.
Was ist mit 11 passiert?
Es war kurz vor Weihnachten 1970. Die Weihnachtsparty an der Schule stand an. Ich hatte mich sehr darauf gefreut. Ich war in der 5. Klasse.
Wir haben Spiele gemacht, unter anderem Stopptanz und zwar in Paaren. Mädchen und Jungs. Ein sehr schmaler Junge hat mich aufgefordert. Bei dem Stopp in der Musik, sollte er mich auf seinem Rücken nehmen. Ich war zu schwer und lösungsorientiert, wie ich bin, habe ich ihn auf meinem Rücken genommen. Wir haben gewonnen, aber der Preis war hoch. Alle Kinder und Lehrer haben uns ausgelacht, ich habe mich total geschämt.
Am nächsten Tag habe ich meine erste Diät angefangen und erst über 40 Jahre später damit aufgehört.
Die Idee, dass wenn ich schön und schlank bin, die Welt wieder in Ordnung sein wird, hat mich sehr lange gefolgt. Diät nach Diät, mein Stoffwechsel war irgendwann mal im Keller. 5 Kilo abgenommen, 7 Kilo zugenommen. 8 Kilo abgenommen, 10 Kilo zugenommen. Sport angefangen, Sport aufgehört. Es wäre alles nur halb so schlimm gewesen, wenn mein eigenes Kind mir dies nicht irgendwann Mal gespiegelt hätte.
Sie fing mit 11 ihre erste Diät an, leider hörte das nicht auf. Sie ging in eine tiefe Essstörung. Somit war ich erstmal mit uns, einer kaputte Ehe, und meinem Kind beschäftigt und meine Kompensationsstrategie ging weiter.
Aber dann fing mein Prozess an. Ich ließe mir helfen, suchte Fachleute auf. Ich verstand nach und nach, dass mein Essverhalten mit meiner fehlenden Selbstsicherheit und Selbstliebe zusammenhing. Ich heilte Beziehungen, zu meinen Eltern, zu meiner Schwester. Ich war bereit zu vergeben und loszulassen. Ich begegnete meinen Ängsten, meinen negativen Glaubenssätzen, ich verstand, dass ich hochsensibel bin. Ich hatte neue Visionen, ich ließ mich weiterbilden. Ich baute neben dem Job meine Selbstständigkeit auf und fing an, mein Leben komplett zu reseten.
Und dann war Ich bereit, ich warf meine Waage weg. Ich kontrollierte nicht mehr, was ich aß, lernte intuitiv zu essen, fand mehr Spaß an Sport, vor allem Yoga. Ich kaufte mir einen Hund und ging 3 mal am Tag mit ihm raus. Ich wiege nicht mehr 55 Kilo, aber ich liebe mich. Alles darf sein, was da ist.
Ich bin nicht 100% da. Manchmal befinde ich mich vor dem Kühlschrank und denke. Was willst du hier? Heute kann ich in mein Gefühl gehen und das Gefühl zulassen. Ich brauche das Essen nicht mehr, um meine Gefühle runterzuschlucken. Ich kann mit meinen Gefühlen gut sein. Die schönen und die negativen Gefühle. Und das ist alles, was wir tun können. Achtsam mit uns umgehen, Tag für Tag.
Bildquelle: Foto von Maksim Goncharenok (Pexel)